Blickpunkt Fuenfseenland

DAHOAM BEI CLAUS ANGERBAUER

Zu Zeiten von Corona

DAHOAM BEI CLAUS ANGERBAUER

Weßling – Der Alltag ist anstrengend geworden. Kontaktsperren, Maskenvorgaben und Abstandsregeln schränken angesichts der Corona-Pandemie das tägliche Leben ein. Was aber macht ein blinder Mensch, der individuelle Vorschriften weder lesen noch Abstandregeln einhalten kann? Claus Angerbauer aus Weßling erzählt im Rahmen eines Interviews, wie es ihm derzeit ergeht.

Der mit 35 Jahren erblindete Musiker und SPD-Gemeinderat aus Weßling findet sich im Leben gut zurecht. „Es hat auch Vorteile, wenn man nicht alles sehen kann“, frotzelt er gerne. Insbesondere bleibe ihm erspart, täglich im Spiegel zu sehen, älter zu werden. Da mögen die Freunde auch noch so sehr lästern, „ich bleibe für immer jung“. Bisher gab es wenig Leerlauf für den 63Jährigen. War er nicht für die Musik oder die Politik unterwegs, er sitzt seit 12 Jahren für die SPD im Weßlinger Gemeinderat und ist auch im neuen Gremium wieder vertreten,  engagierte er sich als Inklusionsbeauftragte der Gemeinde Weßling. „Ich war täglich unterwegs, auch abends, bis auf Sonntag vielleicht“, erzählt er. Doch seit dem 15. März ist alles anders. „Alleine gehe ich nicht mehr raus. Ich kenne zwar alle Geschäfte und mein Umfeld hier und weiß auch, wie ich hinkomme. Aber ich sehe nicht, wie lange die Schlange vor den Geschäften ist, inwieweit ich Abstand halten muss und ob ich das Geschäft überhaupt betreten darf, weil nur zwei Kunden zugelassen sind. Innerhalb der Läden wären Zusammenstöße mit anderen Kunden zudem vorhersehbar.“ Hinzu kommt, dass derzeit auf den Straßen weit weniger Menschen unterwegs sind als üblich, sagt Angerbauer. „Wäre ich alleine unterwegs, wäre es fraglich, auf Menschen zu treffen, die mir weiterhelfen, stünde ich vor einer Barriere. Ich wäre verloren.“ Umstellen musste er sich in Zeiten von Home-Office außerdem auf die rein digitale Zusammenarbeit innerhalb des Gemeinderats. „Ab Mai ist das Gremium ja neu besetzt und irgendwie muss es ja weiter gehen. Die Telefonkonferenzen sind zwar etwas ungewohnt, es funktioniert aber mittlerweile ganz gut. Man lernt auch im Alter noch dazu.“ Doch kein Schaden ohne Nutzen. „Mir bleibt jetzt viel Zeit, mein Equipment auf Vordermann zu bringen und Musik nur für mich zu machen. Außerdem werde ich anfangen, neue Songs zu komponieren.“ Während der gebürtige Weßlinger die aktuelle Situation ohne Gemütsschwankungen meistert, überlegt er, wie man der Einsamkeit vieler älterer oder behinderte Menschen etwas entgegensetzen könnte. „Da Besuche und persönliche Kontakte nicht erlaubt sind, muss das die Hölle für Menschen sein, die sowieso schon wenig Kontakte haben und jetzt völlig vereinsamen. Dauern die Kontaktsperren noch länger an, müssen wir uns ernsthaft um deren seelische Gesundheit Gedanken machen. Hier ist jeder aufgerufen, Ideen zu entwickeln.“ Uli Singer